Tänzer (22.10.2007)

Der Rhythmus der Schlacht

Erst steigt der Herzschlag,
das Blut gerät in Wallung.
Die Fußspitzen beginnen
langsam zu wippen.
Der Puls wird hörbar
und bildet den Takt.
Langsam beginnt sich der Körper
zu drehen.
Die Augen nehmen die Umgebung wahr.
Dann wird mein Körper eins mit ihr.
Freund und Feind bilden das Publikum.
Sie alle werden ein Teil von mir.
Sie alle tanzen nach meinem Takt.


[Laila Brilioth,
Jeuno - Handwerkerbrücke, Jahr 884]


Tänzer waren in Altanas Bund gern gesehene Kämpfer, da sie nicht nur an vorderster Front austeilten, sondern auch verletzte Soldaten zu heilen vermochten.
In ihren prächtigen Gewändern tanzten sie selbst im Pfeilregen und verliehen ihren Kameraden Mut. Von ihren Mitstreitern als Idole verehrt, wurden sie von den Gegnern wie tanzende Götter des Todes gefürchtet. Im Folgenden werden wir über ihre Kunst, den Moriskentanz, berichten:

Der verlockende Totentanz

Komm, dreh dich, tanz mit dem Tod!
Ob arm oder reich,
was ich umarme, verwelkt.
Singe, dreh dich, tanz mit mir,
nur diesen einen Abend lang!
Ob jung oder alt, vor mir sind alle gleich.
Amüsier dich jetzt, es ist das letzte Mal!


[Liedersammlung, Bastok, Alter unbekannt]

Vor langer Zeit einmal befand sich die Republik Bastok im Würgegriff einer tödlichen Seuche. Mit jedem Tag stieg die Zahl der Opfer und Panik und Aberglaube wurden aus der Furcht geboren. Es war die Zeit der falschen Propheten und der Scharlatane. Viele Lieder wurden über den Tod gesungen und seltsame Totentänze mit Schädelrequisiten waren immer häufiger auf den Straßen zu sehen. Ursprünglich dazu gedacht, die Seuche fernzuhalten, riefen die Tänzer jedoch bald Panik hervor, da sie von der sich immer weiter ausbreitenden Seuche kündeten.
Es kam so weit, dass Soldaten fast verrückt vor Angst von ihren Posten desertierten, als die Tänzer an der Front auftauchten. Als die Situation zu eskalieren drohte, erklärte Präsident Wilhelm den Ausnahmezustand und musste sogar seine Galka-Gardetruppen einsetzen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.
In dieser Zeit der größten Not kamen Tänzer eines Stammes, der sich auf den entlegensten Hügeln Gustabergs angesiedelt hatte, mit heilenden Kräutern nach Bastok. Sie führten auf den Straßen ihre Moriskentänze auf, um möglichst viele Kranke zu versammeln und ihre Leiden zu lindern, wobei ihnen die Gefahr, sich selbst dabei infizieren zu können, vollkommen egal war. Nach und nach ging die Zahl der Totentänze zurück und die Alchemisten fanden schließlich ein wirksames Heilmittel.
Präsident Wilhelm sprach in seiner Dankesrede davon, dass es ohne die Tänzer nicht möglich gewesen wäre, diese Krise zu überstehen und so brachten ihre Taten ihnen den verdienten Ruhm.
Viele Nachfolger praktizierten den Moriskentanz danach in Bastok und hielten diese Tradition damit am Leben. Seine größte Verbreitung erlebte der Tanz jedoch erst, als es wieder einmal um Leben und Tod ging – nämlich während des Kristallkriegs.

Die Essenz des Moriskentanzes

Die Techniken des Tanzes und des Kampfes
ähneln sich sehr.
Ein perfekter Tanzschritt
ist scharf wie eine geschliffene Waffe.
Eine Waffe von Meisterhand
ist so schön wie der Tanz.
In einem Punkt unterscheiden sie sich
jedoch vollkommen voneinander..
Mit einer Kampftechnik
will man ein Ergebnis erzielen.
Mit einer Tanztechnik
will man den Betrachter verzücken.
Die Frage lautet jedoch,
ob der Moriskentanz eine Form der Kunst ist,
oder doch eine besonders ästhetische Form des Kampfes...?


[Annika Brilioth, aus „Tanzschritte“ ]


Während des Kristallkriegs machte die Kunst des Moriskentanzes viele Fortschritte, die sich in neuen Stilen, wie zum Beispiel dem Schwerttanz und dem Gauklertanz ausdrückten. Den Tänzern gelang es nicht nur, die Moral der Zuschauer zu heben, sondern sich selbst dabei in einen Trancezustand zu versetzen, der schier unglaubliche Kräfte freizusetzen vermochte. Als sich die Kriegslage verschlechterte, konnten sich Annika Brillaux, die rechtmäßige Nachfolgerin der traditionellen Tänzer, und ihre Schüler nicht mehr vor Gesuchen retten, Schlachten mit ihrer Kunst zum Guten zu wenden. Annika machte sich einen Namen mit ihrer Eigenheit, niemals Schüler zu trainieren, die nicht außerordentlich begabt waren.

Der eiserne Wille, ein erstklassiger Unterhaltungskünstler und ein erstklassiger Kampfsportler zu werden, sowie Nerven aus Stahl, die einen auf dem Schlachtfeld unbeeindruckt dem Tod trotzen lassen – diese Eigenschaften zeichneten die Tänzer dieser Ära aus und ließen sie in Legenden unsterblich werden.

Illustration by Mitsuhiro Arita

*Wir werden auch weiterhin viele Geschichten und Informationen zu „Die Flügel der Göttin“ auf unseren Topics-Seiten veröffentlichen.