Ein Einhorn, so schwarz wie die Nacht!  (06.06.2008)

In der Vergangenheit ritt Ixion durch den Himmel, einer Wolke in der Abenddämmerung gleich, eingehüllt in rote Flammen der Leidenschaft...
Nun donnert sein Ruf über die Schlachtfelder und es hinterlässt überall nur eine aschgraue Spur der Trauer.

...
Plötzlich ist das Geräusch von Ästen zu hören, die wenige Malme entfernt in der Hitze lodernder Flammen brechen. Die Goblins haben den Brand schon lange erschnüffelt.
Sie sind auf dem Schlachtfeld, um die Leichen zu fleddern. Wenn einem Goblin ein Ring gefällt, so nimmt er den ganzen Finger. Gefällt einem Goblin ein Schwert, so spielt es keine Rolle, ob der Ritter, der dieses Schwert umklammert, noch am Leben ist, denn wenn er in die gierigen Goblin-Augen blickt, ist sein Leben verwirkt.
Der alte Ritter, der auf dem Schlachtfeld liegt, weiß das alles. Er beißt die Zähne zusammen und versucht sich aufzurichten, doch seine Anstrengung bleibt vergebens...

...
Schritte sind zu hören... etwas kommt näher... vier Beine...
Ein Höllenhund, angelockt von dem Gestank toten Fleisches!?
Der altgediente Ritter weiß, dass er keine Kraft hat, um das Monster abzuwehren. Trotzdem ruht seine Hand auf den Griff seines Schwertes, welches neben ihm im Gras liegt.
Den Stahl nur in der Hand zu spüren, gibt ihm das Gefühl von Sicherheit... und er schließt seine Augen...

Das Knacken der Äste ist nicht mehr zu hören.
Er spürt warmen Atem auf seiner im Kampf zerquetschten Wange brennen.
Er öffnet seine Augen und blinzelt, denn warmes Blut aus der offenen Wunde, die über seiner Nase klafft, raubt ihm die Sicht. Er wischt sich das Blut weg und erkennt, dass vier pechschwarze Säulen über ihm in den Himmel ragen. Er blickt an den Beinen des Monsters hinauf und in zwei feurig glimmende Augen. Von der Stirnmitte dazwischen ragt ein Horn einem Säbel gleich gen Himmel und die violette Mähne der Bestie lodert bedrohlich...

Der alte Ritter erinnert sich an seine Kindheit. Sein Vater hat ihm oft an der Feuerstelle vom Einhorn erzählt. Von der Bestie, der die tapfersten Krieger zu ihrem Lebensende begegnen.
Er will der Göttin danken und beginnt den ersten Abschnitt der heiligen Schrift zu zitieren...

„Oh, Ixion...“


Doch der angestimmte Psalm wird vom Scheppern und Klirren der Rüstungen mehrerer herannahender Männer unterbrochen.

Die pechschwarze Bestie fährt herum und stößt ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus.
Funken sprühend umtanzen unzählige kleine Blitze knisternd sein Horn...

„Oh nein! Es will seine pfählenden Blitze einsetzen!“

Hört der alte Ritter jemanden schreien. Dann zuckt ein greller Blitz durch die Luft und der schreiende Söldner verstummt. Der alte Ritter erblickt die unschuldigen Gesichter der noch viel zu jungen Söldner.

„Verdammt! Wir müssen fliehen!“
„Rennt um eure Leben!“

Nun springt die pechschwarze Bestie selber los und rast wie ein Blitz auf die Kämpferschar zu. Nur ein Mädchen aus der Gruppe, gehüllt in eine weiße Robe, nähert sich der Gefahr trotzend dem liegenden Mann...

„Wartet! Dieser alte Ritter hier ist noch am Leben!“

In diesem Moment verliert der alte Ritter sein Bewusstsein.

„I... xi... on...“

Ob diese pechschwarze Bestie wirklich das Einhorn aus den Geschichten seines Vaters ist, spielt für den alten Ritter nun keine Rolle mehr.