Der „Puppetmaster“(17.04.2006)

Tradition und Technik

„Aufgepasst, meine Damen und Herrn!
Hier präsentiere ich Ihnen: „Muffin“,
eine Puppe, die geht, spricht, schläft und kämpft!
Das einzigartige Wunderwerk der Technik,
das geträumt hat, von einer ach so einfältigen Geschichte!
Ist nun Muffin in der Lage, die „Rote Schraube des Glücks“
ausfindig zu machen, die ihr die so sehr ersehnte Visage und zwei Arme bescheren soll?“

[Aus der Eröffnungssequenz des Standardpuppenspiels: „Muffin und die sieben Masken“]

Eine Marionette, in deren Inneren eine Vielzahl von Gimmicks tanzt und zahllose Rädchen sich drehen. Diese zum Leben zu erwecken und die Gunst der Zuschauer zu gewinnen, das gehörte seit je her zu den traditionellen Fertigkeiten eines „Marionettenspielers“. Doch heutzutage benötigt man keine Fäden mehr, um die Bewegungen zu steuern. „Autonaton“ – so werden die halbautomatischen Puppen genannt, die auf Gebieten der Landwirtschaft, Fischerei, Fabrizierung von Gütern – und der Kriegsführung ihren Aufgaben nachgehen. Neue Technologie ruft nach neuen Spezialisten. Wie geschickte Handwerker, die mit „Attachments“ (Apparate) die Autonatons steuern, mit „Animatoren“ die Befehele weiterleiten und sich selbst durch Faustkämpfe gegen hartgesottene Anachronisten durchzusetzen verstehen – diese neuartigen Spezialisten werden „Puppetmaster“ (Puppenspieler) genannt. Wir versuchen, das Geheimnis hinter diesen geheimnisvollen Gestalten zu lüften.


Die Geburt des Automaton Menedjin

Was für eine stumpfsinnige Frage.
Egal ob diesen Automaton, oder den früheren Marionetten, ich habe seit je her diesen Geschöpfen meine Seele eingeflößt.
Sie sind mein Fleisch und Blut.
Es versteht sich doch von selbst, dass ein Puppenspieler seine Seele für seine Schöpfungen hergibt, oder nicht?

[Der Puppenmacher Gazhad auf die Frage eines Reporters: „Haben Puppen eine Seele?“]

Die Automatons wurden von einer Gruppe von Puppenmachern, angeführt von eiem Galka namens Gazhad, erfunden. Was hat ihn dazu bewogen, diese mechanischen Puppen zu erschaffen? Er selbst nahm dazu nie Stellung, doch man munkelt allerorts, dass er die Riesenpuppe, die in der Sage um die Entstehungsgeschichte Aht Urhgans auftaucht, nachbilden wollte. Der Beweis dafür, so heißt es, wären die immensen Investitionsgelder, die aus der Staatskasse direkt in dieses Unternehmen geflossen sind. Mit diesen Geldern heuerte Gazhad die besten und teuersten Alchemisten, Schmide, Goldschmiede, Knochenschnitzer, Uhrmacher und Mechaniker aus nah und fern an. Mit dieser riesigen Armee an Handwerkern und Wissenschaftlern arbeitete er rund 10 Jahre bis er den ersten Automaton Menedjin“ fertigstellen konnte. Doch als er sein Werk stolz dem Emperator vorzeigen wollte, erlebte er eine unvorsehbare derbe Enttäuschung. Krumm nach vorne gebeugt, watschelte der kleine Menedjin duruch den Palast – hinter sich, dicke und schwere Kabelstränge für die Befehlsübermittlung hinterher schleifend. Diese jämmerliche Gestalt war alles andere als die Nachbildung des sagenhaften Riesen aus den Geschichsbüchern. So kam es, dass er nicht mehr als nur ein trostloses Gelächter beim Emperator und dem gesamten Adel auslöste. Doch eine Person konnte sich beim Anblick des Automaton vor Begeisterung kaum zurückhalten. Es war der junge Kronprinz Jalzahn. Er bat seinem Vater, den Automaton behalten zu dürfen. Doch nicht nur das. Gazhad sollte von nun an als Privatlehrer von Jalzahn am Hofe dienen. Obwohl belächelt als „des Kronprinzen teures Spielzeug“, wurde die Entwicklung der Automatons lange Zeit bis zum Tage des Todes des mittlerweile zum Emperator gekrönten Jalzahns weitergeführt.


Die Geburtsstunde der Puppenspieler

„Mein liebster Herr, mein Meister.
Er gab mir diese Träume.

Ich werde an seiner Stelle hier und dort,
diese Träume an die Leute verbreiten.

Bitte meine Damen und Herren,
verteilt diese Träume weiter an die Nächsten.

Doch ich selbst habe nie geträumt.“ [Seriennummer 218 – Automaton „Erwin“]

Knapp 50 Jahre nach Menedjin, dem ersten seiner Art, haben sich die Automatons rasch weiterentwickelt. Den Antika-Übersezungsinstrumenten zum Vorbild, wurden „Animatoren“ entwickelt, die erstmals eine kabellose Befehlsübermittlung ermöglichten. Die Puppe und ihr Meister sind nun nicht mehr phsysich einander gebunden und können sich frei bewegen. Eine weitere Neuerung sind die „Attachments“ (Apparate) die eine Serienfertigung im großen Rahmen ermöglichen. Erfahrene Spezialisten und Handwerker werden somit für die Herstellung selbst nicht mehr benötigt. Doch das Wichtigste ist jedoch, dass nun durch die Puppetmasters die Automatons gewartet und zugleich gesteuert werden können. Wie zwei Freunde miteinender verbunden, bereisen Sie die Welt und tauschen einander sogar Gefühle aus – Gefühle, die in einer mechanischen Puppe wahrhaft das Leben zu erwecken sucht.

Auch in den schwierigsten Situationen ein Lächeln in den Mundwinkeln, die Fürsorge und die Liebe zum Automaton dabei niemals erlischt – das sind die Voraussetzungen für einen angehenden „Puppetmaster“ (Puppenspieler).

Illustration by Mitsuhiro Arita