Wer ist hier der Boss? (19.04.2012)

Seika war eine ausgezeichnete Diebin und Jägerin und als solche natürlich auch entsprechend gekleidet. Ihr in mattem Braun und Grün gehaltener Rock und ihre Ausrüstungsgegenstände bildeten eine perfekte Symbiose mit den Gras- und Erdtönen des Ronfaure-Walds, in dem sie sich gerade aufhielt.

Seika holte tief Luft und sog die Gerüche des Waldes in sich auf, spitzte ihre Ohren, um auch das leiseste Laubrascheln noch zu vernehmen und suchte nach etwas, das sie auf die Spur ihres Ziels führte. Ihr geistiges Auge war das eines Adlers, der hoch oben über den Baumwipfeln seine Kreise zog und den ganzen Wald in seinem gestochen scharfen Blick hatte. Doch heute jagte sie weder ein gefährliches Tier noch Beastmen. Nein, ihre Beute war ganz anderer Natur ... Wo konnte sie nur sein? Wo konnte sie nur sein? Seika konzentrierte sich darauf, die Präsenz im grünen Dickicht ihrer Vorstellungskraft auszumachen. Winzige Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, so angestrengt fokussierte sie ihren Geist. Ihr Atem ging langsamer, die Welt um sie herum schien für einen kurzen Moment stillzustehen ... Und dann hatte sie ihr Ziel auch schon ausgemacht!

„Im Nordwesten also“, murmelte sie, und nur jemand, der sie sehr gut kannte, hätte den leichten Verdruss in ihrer Stimme bemerkt. Mit geschmeidigen und wieselflinken Schritten setzte sich Seika unverzüglich in Bewegung. Zu jener Stelle im Ronfaure-Wald, an der sie sich Jagdglück versprach. Zu jener Stelle ganz in der Nähe des Orc-Stützpunktes ...

In ihrer linken Hand umklammerte sie nicht etwa eines der Kurzschwerter, die Diebe für gewöhnlich mit sich führten, sondern ein Ibushi Shinai, eine Trainingswaffe, die die Samurai aus dem Fernen Osten nutzten, um sich in der Kampfkunst zu üben. Unterwegs stieß sie auf eine kleine Handelsstraße, die sich von Nord-San d’Oria durch den Ronfaure-Wald schlängelte. Als sie die Straße überquerte, erinnerte sie sich, wie sie einst von einer Frau beauftragt worden war, eine Nachricht an deren Mann zu überbringen, der hier als Wache auf Patrouille gewesen war. Wie es dem Soldaten jetzt wohl ging? Das alles schien ihr schon Ewigkeiten her. Noch ganz in nostalgischen Erinnerungen schwelgend, tauchte Seika auf der anderen Seite der Straße wieder in das Grün des Waldes. Doch mit einem Mal schlug ihr Jagdinstinkt jäh Alarm. Irgendetwas war über ihr!

Erst raschelte nur das Laub in einer der Baumkronen verdächtig, doch schon wenige Augenblicke später vernahm Seika einen grellen Schrei. Aufgeschreckt blickte sie nach oben und musste entgeistert feststellen, dass eine humanoide Gestalt auf sie zugestürzt kam. Ein Junge, der panisch und hilflos mit den Armen fuchtelte!

Ohne zu zögern, ließ Seika ihr Bambusschwert fallen und riss beide Arme in die Höhe, um den Jungen aufzufangen. Da dieser seinen Fall durch das Greifen nach Zweigen abbremste, war die Wucht seines Aufpralls nicht so heftig, wie die Diebin befürchtet hatte. Erleichtert atmete sie einmal tief durch. Von der Anspannung befreit, rannen abermals Perlen kalten Schweißes über ihre Haut.

„Hui, hast du mich aber erschreckt!“, platzte der kleine Junge lebhaft hervor.
„Na, was meinst du wohl, was du mir da gerade eingejagt hast, mein Lieber!“
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, hieß es. Nun, scheinbar galt das auch für zehnjährige Elvaan-Jungen, wie Seika nicht ganz unamüsiert feststellte. Der Junge erzählte ihr, dass er auf den Baum geklettert war, um Hirschkäfer zu fangen. Als sie ihn zurechtwies, dass der Ronfaure-Wald doch eigentlich viel zu gefährlich für jemanden seines Alters sei, wunderte sie sich allerdings nicht schlecht.

„Musst du gerade sagen, Mädel! Dir zittern doch die Knie wie Espenlaub!“

Zitternde Knie? Ganz schön vorlaut der Kleine, dachte Seika, konnte sich aber ein Schmunzeln nicht verkneifen ...

In diesem Moment trat ihr Jagdziel aus dem Dickicht hervor. Ein Tarutaru in voller Rüstung. Und keiner gewöhnlichen, so viel stand fest. Dieser Tarutaru trug die sagenumwobene Genji-Rüstung!
„Bring dich in Sicherheit, Junge!“
Der Elvaan sollte hier zwar eigentlich nicht in Gefahr schweben, aber Seika wollte trotzdem kein Risiko eingehen. Nachher kam er noch auf die dumme Idee, ihr dazwischenzufunken. Ihr Bambusschwert hielt sie längst wieder in den Händen und stürzte sich auf den überrumpelten Gegner.

Seine Zauber machte die stets gut vorbereitete Diebin mit magischen Bannsiegeln unschädlich, die sie über ihre Waffe gelegt hatte. Jetzt musste sie nur noch auf eine Unaufmerksamkeit ihres Gegenübers warten. Und siehe da, in Vorbereitung eines neuen Angriffs vernachlässigte der Tarutaru seine Deckung. Seika holte erbarmungslos aus und landete einen schweren Treffer genau dort, wo zwei Rüstungsteile im Kniebereich einen Spalt freigaben. Jetzt kannte die Diebin kein Erbarmen mehr. Wieder und wieder ließ sie das Bambusschwert auf ihren aus dem Konzept gebrachten Gegner niedersausen.
„Das habt ihr davon, mir jedes Jahr so viel Arbeit zu bereiten“, machte Seika ihrem Ärger Luft. Ihr letzter Hieb traf mit einem dumpfen Krachen ins Schwarze. Entkräftet sank der Tarutaru zu Boden.

Sofort erklang der schrille Ton einer Trillerpfeife und wie aus dem Nichts tauchte ein Rudel von Moogles am Ort des Geschehens auf. Unter lautem Gezeter und Lachen luden sie den Tarutaru auf eine Bahre und transportierten ihn in Windeseile ab.
„Schönen Dank auch, kupo!“, entfuhr es einem, der so etwas wie der Oberschiedsrichter zu sein schien.
„Geht das vielleicht auch ´ne Spur höflicher?“
„Oh, entschuldige vielmals, kupo! Das muss die Freude über deinen Erfolg gewesen sein, die mich etwas überschwänglich werden ließ. Hab vielen Dank für deine Hilfe, tapfere Jägerin, kupo.“
Der Moogle verbeugte sich so tief, dass sein Bommel fast den Waldboden berührte, und fuhr dann fort.
„Um den Taugenichts kümmern wir uns, kupo. Nimm bitte diese kleine Aufmerksamkeit als Zeichen unseres Dankes entgegen, kupo!“
Er überreichte Seika ein Bambusschwert, das etwas besser als ihr bisheriges gearbeitet war, und verschwand dann genauso schnell, wie er erschienen war.
Meine Güte, ich glaube, ich werde langsam zu alt für diesen ganzen Rummel, dachte die Diebin und ließ sich erschöpft auf eine weiche Moosstelle fallen. Von den verrückten Moogles erwartete sie ja gar nichts anderes, aber ihr in die Jahre gekommener Körper schien den ganzen Trubel nicht mehr so gut wegzustecken, wie bei den letzten Malen.

„Haha, machst wohl schon schlapp, was?“, jauchzte der kleine Elvaan-Junge und sprang quirlig um Seika herum.
„Hast du ´ne Ahnung, wie anstrengend es ist, den Gegner weichzuprügeln, ohne dabei die wertvolle Rüstung zu beschädigen?“, entgegnete diese trotzig und ein bisschen fühlte sie sich von diesem naseweisen Jungen in ihrem Stolz gekränkt.
Überhaupt, wie schafften es diese dämlichen Moogles eigentlich, sich diese Rüstung, die eine Gesandtschaft zum Fest der Schwerter jedes Mal aus dem Fernen Osten hertransportierte, mit schönster Regelmäßigkeit stibitzen zu lassen? Es grenzte an ein Wunder, dass daraus noch keine Staatsaffäre entstanden war. Die Mog-Haus-Management-Union musste dringend mal ihre Strukturen besser durchorganisieren. Sonst würde sie noch ...

Hinter ihr knackste ein Zweig ... Verdammt! Sie hätte hier mitten im Wald nicht so unaufmerksam sein dürfen! Ein eiskalter Schauer schrecklicher Vorahnung lief ihr über den Rücken und sie bekam eine Gänsehaut, wie sie sie lange nicht mehr gespürt hatte. Augenblick sprang Seika auf die Beine und wirbelte herum. Ein gewaltiger Orc blickte ihr mordlüstern entgegen und ließ schon im nächsten Moment seine mächtige Streitaxt niedersausen.

„Junge, flieh!“

Zu ihrem Erstaunen wurde Seika Zeuge, wie die Konturen des kleinen Elvaan für Bruchteile von Sekunden verschwammen, ihn ein seltsam wabernder Nebel umgab und er durchsichtig wie Glas wurde. Dann blitzte blanker Stahl auf, hieb an Seika vorbei auf den Orc zu und grub sich tief in dessen Fleisch. Die Bestie schrie überrascht auf, doch ihr qualvoller Schrei schaffte es kaum über die Kehle hinaus. Im nächsten Moment schon sackte sie in sich zusammen.

Als Seika ihren Blick von dem besiegten Orc abwandte, stand hinter ihr nicht mehr der vorlaute Junge von gerade, sondern ein hochgewachsener Elvaan-Mann, der die Diebin um gut eine Kopflänge überragte. Er steckte in einer leichten Rüstung und hielt ein filigranes Schwert mit geschwungener Klinge in der Hand ... Nein, kein Schwert. Ein Katana! Er war also ... ein Samurai?!

„Du hattest dich mit einem Elvaan-Mochi verwandelt?“, stammelte Seika sichtlich perplex.
„Ja, ganz genau. Kinderkörper sind einfach viel besser geeignet, um auf Bäume zu klettern.“

Er sprach gekünstelt affektiert, um dann laut lachend loszuprusten.
„Siehst du! Du hattest also doch Angst!“
„Von wegen! Hatte ich ja gar nicht!“
Dass sie gerade vor Schreck wie gelähmt gewesen war, konnte sie ja schlecht zugeben.
„Na ja, für dein Alter hast du dich gar nicht schlecht geschlagen, Tantchen.“
Tantchen? Was bildete sich der Typ ein? Der war doch bestimmt ein, zwei Jahre älter als sie.
Dass sein kunstvoll geschmiedetes Katana ein echtes Meisterstück war, das nur von den fähigsten der fähigsten Samurai geführt wurde, konnte selbst eine Laiin wie sie auf den ersten Blick erkennen. Als Seika dem gewahr wurde, schämte sie sich noch etwas mehr für die Blöße, die sie sich gerade gegeben hatte.

„Nun, weißt du ... Das ist so, ich hatte gestern einen echt stressigen Tag und konnte dann kaum schlafen, weil meine Nachbarin die halbe Nacht so laut in ihre Linkperle gebrüllt hat und außerde...“
„Ach, ist doch gar nicht schlimm“, unterbrach der Elvaan sie.
„Und da im Wald gerade die Doppelrisiko-Aktionswochen zu laufen scheinen, werd ich dich am besten mal bis in die Stadt geleiten, wenn du erlaubst.“
Der Elvaan lächelte sie sanft an. Seika griff nach seiner ausgestreckten Hand und ließ sich von ihm auf die Beine helfen.
„O-Okay ... Danke!“

Der Tag, den Seika für immer in Erinnerung behalten sollte, war ein Tag zur Zeit des Fests der Schwerter.


Text: Miyabi Hasegawa
Illustration: Mitsuhiro Arita

Wie man beim „Fest der Schwerter“ mitmacht:

1. Besorg dir vom Moogle in einem der folgenden Areale ein spezielles Holzkatana (Ibushi Shinai):
Süd-San d'Oria (J-9)/ Nord-San d'Oria (D-8)
Bastok-Minen (H-9)/ Bastok-Markt (G-8)
Windurst-Weiher (Nordhälfte, F-5)/ Windurst-Wälder (K-10)

2. Rüste dich mit dem Holzkatana aus und sprich einen Nomaden-Moogle in einem der folgenden Areale an, um die spezielle Moogle-Magie auf dich wirken zu lassen:
West-Ronfaure (I-6)/ Ost-Ronfaure (G-6)/ La Theine-Plateau (J-8)/ Jugner-Wald (I-8)/ Batallia-Tiefen (K-8)/ Nord-Gustaberg (L-8)/ Süd-Gustaberg(L-8)/ Konschtat-Hochland (I-6)/ Pashhow-Sumpfland (K-6)/ Rolanbeeren-Felder (K-5)/ West-Sarutabaruta (J-8)/ Ost-Sarutabaruta (G-11)/ Tahrongi-Schlucht (I-6)/ Meriphataud-Berge (E-5)/ Sauromugue-Ebene (E-5)

3. Tu dich mit anderen Abenteurern zusammen und haut gemeinsam auf die diebischen Schurken ein! Je öfter du die Verzauberung deines Ibushi Shinai einsetzt, desto mehr Glück wirst du haben!

4. Stich dein Ibushi Shinai dann mittels des „Handeln“-Befehls in den Boden nahe dem ???-Punkt, an dem ein Schurke besiegt wurde! Wer weiß, welch großartige Belohnung für deine Mühen auf dich wartet!?

Über die Moogle-Magie:

1. Durch Moogle-Magie erhöht sich deine Bewegungsgeschwindigkeit, dein Job-Level wird jedoch auf Level 1 beschränkt werden.
2. Alle Ausrüstungsgegenstände, die für Level 2 oder höher sind, werden durch Moogle-Magie automatisch entfernt.
3. Während du unter dem Einfluss der Moogle-Magie stehst, kannst du keine normalen Monster angreifen. Gleichzeitig brauchst du dich jedoch auch nicht vor Attacken ihrerseits zu fürchten, da sie dich ebenfalls nicht angreifen werden.
4. Die Moogle-Magie verliert ihre Wirkung, sobald du das Areal wechselst oder dich ausloggst.

Veranstaltungszeitraum:

Das Fest der Schwerter wird voraussichtlich von Donnerstag, dem 26. April 2012 um 8:00 (GMT) bis Donnerstag, dem 10. Mai 2012 um 8:00 Uhr (GMT) gefeiert.